Das Gute am menschlichen Gehirn ist, dass man die negativen Dinge im Leben - darunter fällt auch die endlose Quälerei bei einem Marathon - rasch vergisst. Wäre es nicht so und würden wir diese Eigenschaft nicht besitzen, man würde vermutlich für ein MTB-Rennen, wie den GRANIT-Marathon, keine Starter mehr finden. Ein paar Zeilen, die die schier endlose Quälerei und die daraus resultierende Freude noch einmal allen Teilnehmern und Zuschauern in der Erinnerung rufen soll.

Schilderungen eines anonymen GRANITBIKER

Ein extrem kräfteraubender Sprint vom Start zum Edhügel, brutale Dränglerei, die Pedale fast oder tatsächlich in den Speichen der Mitstreiter. Kurze abrupte Bremsmanöver in den ersten Kurven! Es ist eng - verdammt eng und schnell! Bei Wimmer Rudi's Hecke - direkt vor mir - verhedert sich urplötzlich ein allzu übereifriger "Edhügel-Sprinter" mit dem Lenker in den Büschen. Mit dem Resultat, dass er mit dem Bike im Anschluß 180 Grad nach unten schaut. Dann der giftige Anstieg mit viel zu hohem Puls zum "Bauer im Hof" hinauf. Einige Biker müssen zwangsweise eine Rast einlegen, das frisch gemähte Gras, das neben dem Waldrand lag, verhederte sich im Schaltwerk. Wieder Sprint zurück zum Ort - leider mit noch immer viel zu hohem Puls und viel zu hohem Gang. Dann ein kurzer, aber sehr schwieriger Downhill zum "Kohlstätter-Steig" hinunter und sofort wieder steil bergauf - noch immer keine Erholung! Die Oberschenkel brennen bereits - die Pulsuhr scheint einen defekt zu haben - noch immer steht sie auf über 180 Puls - die Anzeige ist vermutlich festgefroren. Runter geht's in den "Midringer-Down-Hill" - schwierig zu fahren, weil durch die vielen Teilnehmer alle Steine und Wurzeln frei liegen. Mit einem Höllentempo geht's runter nach Partenstein. In Partenstein angekommen - noch ein Griff zur Wasserflasche. Schnell runter schalten und dann "Servus die Wadln"! Auf geht's die Rohre hinauf nach Ramesberg! Endlich bergauf! Sarkasmus macht sich breit. Aber tatsächlich gibt es bergauf etwas Erholung und zwar nach der ersten kurzen Steigung. Man merkt, dass auch die anderen Fahrer dringend eine Pulskorrektur nötig haben. Das erste "flache" Stück bei der Ramesbergauffahrt bietet dann tatsächlich etwas Erholung. Den Gang nochmals runter, um DIE KURVE (ich rede von der grauslichen steilen Kurve in der Rohrleitung) zu meistern. Ein oder zwei Biker schieben! Mit Erstaunen und etwas Entsetzten zugleich beobachte dieses Treiben. Das ist so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetzt, welches besagt, dass diese "Steil-Kurve" gefahren werden muss. Mit einem eher abwertenden Blickes - quälte ich mich vorbei. Ramesberg. Endlich. Kurze Erholung bei der Abfahrt bis zur Einfahrt Ebenmühle. Keiner überholt! Alle strampeln locker und lassen die Beine hängen - sogar Scagi (Alias die Downhill-Sau Jürgen Scalet), den ich gerade überholt habe. Der Downhill zur "Ebenmühle" beginnt - ich komme mit einem Bein aus dem Pedal - hab vergessen, dass es wieder ins Gelände geht! Nur mit Mühe kann ich einen Sturz vermeiden. Rasante Abfahrt! Trinkflaschen liegen herum, Beweise für eine extrem holprige und sauschnelle Abfahrt. Das Mühltal naht. Ich versuche auf dem mittleren Blatt einen hohen Gang zu finden und versuche wieder Fahrt aufzunehmen. Es gelingt nur mäßig. Scheint, als ob der rassige Start doch seine Spuren hinterlassen hat. Zähne zusammenbeisen und weiter geht's nach Blumau rauf. Scagi ist wieder da, sein Tritt sah auch schon leichter aus, aber zum Vorbeifahren reichte es. Leichte Kreuzschmerzen gesellen sich zu den anderen Problemen. Da sind wir wieder beim Nicht-Erinnern-Können, immer wieder bin ich nämlich überrascht, wie grauslich und schiach die steinige Auffahrt nach Blumau ist. Felsig und extrem holprig - ich vergesse das jedesmal. Wieder mit dem Gang runter um den Puls zu schonen. Die Säure durchdringt schön langsam den Körper. Man spürt förmlich wie das Laktat den Muskel nach und nach etwas lähmt. Gedanken des Aufgebens schwirren erstmals durch den Kopf. Die Stimmen in meinem Kopf werden immer lauter. Ich versuche mir einzureden, dass sich bei der nächsten Abfahrt alles wieder legen wird. Die Lügen wirken anscheinend überzeugend auf mein Unterbewußtsein - ich fahre weiter. Die Labstelle in Neundling naht. Der Applaus der Zuschauer hilft die aufkeimenden kleinen Depressionen zu vertreiben und baut auf. Kleine Freude kommt auf, weil ja jetzt gleich die Abfahrt kommt. Aber ich mußte erneut feststellen, dass diese Abfahrt nur zu Beginn erhohlend ist. Später im Downhill ist wieder jeder Muskel gefragt. Die Abfahrt ist mit einer starken Neigung, mit vielen Steinen und ziemlichen Schlägen versehen. Äste für mehrere Lagerfeuer und unzählige "Mini-Felsen" säumen den Weg. Sofern man diese, von Bäumen befreite Rinne im Wald, überhaupt als Weg bezeichnen möchte. Wieder angekommen im Mühltal geht es die letzten - leider auch sehr steinigen - Kilometer rauf Richtung Neufelden. Bei der Brücke in Neufelden angekommen, setzt erneut eine Diskussion mit inneren Schweinehund ein. Der Schweinhund schwört unerlässlich auf mich ein: "Du hörst sofort auf und steigst ab. Du quälst dich nicht nach Apfelsbach rauf." Zur Überraschung gewinne ich, der Schweinehund verliert - das vorallem auch wegen Klaus Falkinger, der eine unermüdliche, eifrige Anfeuerung betrieb und in Neufelden stand. Ich musste feststellen, dass der "Stieg" besser ging als erwartet. Durch die vielen Fahrer vor mir, hat sich ein schmaler griffiger Pfad gebildet. Der Puls steigt trotzdem bei diesem steilen Stück in Höhen, wo er nicht hin soll. Die Abfahrt runter zur und dann auf die alte Bundesstraße bringt wieder Erhohlung. Jetzt rein mit einem Gel! An diesem Zucker-Quark, den ich mir reindrücke, hängt viel Hoffnung. Die Selbstbelügung geht dabei munter weiter. Ich versuche mir einzureden, dass die Mineralstoffe und Spurenelmente und was weiß ich was noch alles auf der Verpackung steht, meinem Körper die fehlende Kraft zurückbringen wird. Wie heißt es? Die Hoffnung stirbt zum Schluß. So, los geht's nach Etzleinsberg rauf. Zuerst kleiner Gang und dann schieben. Hier darf man schieben, ich hab dabei kein schlechtes Gewissen. Naja, besser wär ich könnte fahren, aber das geht nicht - keine Chance. Wieder sind die negativen Gedanken da. Konkrete Pläne werden geschmiedet. Ungefähr so: Wenn ich im Ziel ankomme! Wenn!?! Dann höre ich auf mit diesem Schwachsinn! Ich tu mir das nicht mehr an! Ganz fixer Plan! Schluß mit der Schinderei - ein für alle mal! Oben in Etzleinsberg angekommen, beruhigt sich die Situation in meiner Gefühlswelt wieder etwas. Bei der relativ lange Fahrt in Etzleinsberg und runter zur Bundesstraße, kann ich mich mit einer netten aber kurzen Plauderei mit einem Weggefährten ablenken können. Tut gut. Trotz des nahenden letzten Stieges steigt die Motivation und die negativen Gedenken verschwinden. Vorallem, weil es der letzte "giftige" Stieg ist. Auch das ist ein Berg, wo man - zumindest im oberen Drittel - schieben darf. So kommt es auch. Irgendwie hab ich diesen Hügel auch geschafft und auch die nachfolgenden mittleren Erhebungen bis zum Steinbruch. Von da an wird es noch einmal wirklich heftig. Heftig vorallem deswegen, weil die immer träger werdenden Muskelkontraktionen schön langsam in Krämpfe übergehen. Die mit Milchsäure durchtränkten Muskeln melden sich wieder. Jene Milchsäure, die ich zu Beginn des Rennens so eifrig aufgebaut hatte - das sollte sich jetzt rächen. Absteigen und Schieben? Nein, kommt nicht in Frage. Vorallem, weil eine recht brauchbare Zeit noch immer in Ausicht steht. Gut, dann eben durchbeißen. Augen zu und durch und mit kleinem Gang Richtung Ziel. Aber das ist leichter gesagt als getan. Die Steinbruchstraße war noch nie so lang wie bei dieser Auffahrt, aber irgendwann war auch die zu Ende. Gut, dann ist da noch der Resch-Steinbruch und schlußendlich der Zellerberg. Aber so kaputt kann man gar nicht sein, dass man den Zellerberg nicht schafft, wenn man von solchen Anfeuerungen angetrieben wird. Das Ziel ist in greifbare Nähe gerückt. Durch's Zelt, den Jubel genießen und über die Ziellinie. GESCHAFFT! WAHNSINN! Und nach fünf Minuten setzt das Vergessen ein, die Glückshormone und die Endorphine gewinnen gegen die Milchsäure-Teilchen die Oberhand und der Körper wird von wunderbaren Gefühlen durchströmt. Super war's! Geiler Marathon! Wahnsinn! Ich kann mich an keine Schmerzen mehr erinnern nur an super Abfahrten und geile Trails. Alles andere hab ich vergessen!